Sprachentwicklungsstörungen unterscheiden nicht zwischen Muttersprachen. Kinder, deren Eltern Deutsch sprechen, sind etwa genauso häufig betroffen wie englisch- oder türkischsprachige Kinder. Und wenn das Kind nun gleich zwei Sprachen lernt? Im Falle einer Sprachentwicklungsstörung kann die Behandlung für einen Logopäden durchaus eine Herausforderung sein.

Mehrsprachigkeit und Logopädie

Sprachentwicklungsstörungen unterscheiden nicht zwischen Muttersprachen. © shutterstock.com / michaeljung

Doch keine Sorge. Der Logopäde muss nicht zwingend alle Sprachen des Kindes sprechen, da die Therapie normalerweise im einsprachigen Modus durchgeführt wird. Grundlegende Kenntnisse sind natürlich trotzdem praktisch.

Diagnostik und Forschung

Ein Kind, das mit mehreren Sprachen aufwächst und mit jeder unterschiedlich häufig in Kontakt kommt, kann nicht in einen Topf geworfen werden mit einem Gleichaltrigen, der den ganzen Tag Deutsch hört. Das bedeutet nicht, dass mehrsprachige Kinder mehr oder weniger intelligent oder von den vielen Sprachen überfordert sind. Ihre sprachliche Umwelt ist lediglich eine andere. Standardisierte Testverfahren, Bezugsnormen und solide Grundlagenforschung gibt es aber nur für einsprachige Kinder. Dieser Zustand wurde in der Vergangenheit vernachlässigt. In den kommenden Jahren wird sich die unzureichende Situation vermutlich ändern, da Mehrsprachigkeit zunehmend in den Fokus der Wissenschaft rückt.

In einer Sache sind sich die Logopäden aber einig: Wenn es sich wirklich um eine Sprachentwicklungsstörung handelt, sind alle Sprachen des Kindes davon betroffen. Andernfalls handelt es sich ‚nur‘ um eine Sprachauffälligkeit, weil die Erfahrungen mit einer der Sprachen weniger ausgeprägt sind. Bei Kindern mit türkischsprachigen Eltern können das etwa mangelnde Deutschkenntnisse sein, die aber durch mehr sprachliche Förderung gut behoben werden können.

Die Sprachsituation verstehen

Da standardisierte Testverfahren also nicht weiterhelfen, müssen Logopäden auf andere Weise die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes erfassen. So werden zunächst die Bedingungen erhoben, unter denen ein Kind seine Sprachen erwirbt: An welchen Orten und mit welchen Bezugspersonen wird welche Sprache mit dem Kind gesprochen? Welche Sprache wird häufiger genutzt? Spricht das Kind beide Sprachen aktiv? Wie sieht seine Spontansprache beim Spielen mit anderen, mehrsprachigen Kindern (oder Erwachsenen) aus?

Dabei geht es immer um die grundlegenden Fähigkeiten eines Kindes, Sprache zu verstehen und zu produzieren. Spezielle Dinge, wie Lücken im Wortschatz, sind also nicht relevant für die Diagnose. Daraus leitet sich dann der individuelle Ansatz für die Behandlung ab.

Was können Eltern tun, um ihr Kind beim Erwerb der Sprachen zu unterstützen? Hier gelten die gleichen Regeln wie bei einsprachigen Kindern: Ermutigungen, Blickkontakt, viel Kommunikation – einfach alles, um die Freude an Verständigung zu fördern. Lesen Sie dazu auch unsere Tipps für Eltern.