Nicht immer ist Hören gleich Verstehen. Der Grund können AVWS (Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen) sein. Diese werden auch als Hörverarbeitungsstörungen bezeichnet. In jedem Fall handelt es sich um Beeinträchtigungen des Hörens, die NACH der Aufnahme des Schalls durch das Hörorgan (Außen-, Mittel-, Innenohr) entstehen. Der Schall ist also schon in akustische Reize umgewandelt und auf den Hörbahnen ins Gehirn unterwegs, wo er nicht gut genug ausgewertet und interpretiert wird.

Genau hier entstehen dann die Probleme, wenn die ausgewerteten Informationen nicht richtig einsortiert, abgespeichert oder abgerufen werden. Es liegt also keine Schwerhörigkeit (Störung des peripheren Hörens) vor, sondern eine zentrale Hörstörung. Hier erfahren Sie, welche Ursachen eine AVWS haben kann, wie sich die Symptome äußern und wie man die Hörverarbeitungsstörung behandeln kann.

Eine Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung tritt im Übrigen meist nicht isoliert auf, sondern kommt häufig in Kombination mit anderen Störungsbildern, beispielsweise der Lese-Rechtschreib-Schwäche, Aufmerksamkeitsdefizitstörungen oder Sprachentwicklungsstörungen, vor.

AVWS Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen

AVWS können bewirken, dass in lauten Umgebungen etwa der Lehrer nicht verstanden wird, weil Gesprochenes nicht aus der Gesamtheit der Geräuschkulisse herausgefiltert werden kann. © panthermedia.net / Kzenon

Mögliche Ursachen für Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen

Die Ursachen sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Unter anderem werden chronische Mittelohrentzündungen im Kindesalter, frühkindliche Hirnschädigungen und Hirnreifungsverzögerungen, Sauerstoffmangel während und kurz nach der Geburt sowie familiäre Häufungen diskutiert.

Auch sogenannte Paukenergüsse, die häufig in Kombination mit Polypen auftreten, keine Schmerzen bereiten und daher oftmals unerkannt bleiben, stellen eine der möglichen Ursachen für Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen dar. Hierbei führt eine Ansammlung von Flüssigkeit im Mittelohr dazu, dass dieses über einen längeren Zeitraum nicht ausreichend belüftet wird, die Kinder daher nicht alle Frequenzen hören können und somit ein Hörerfahrungsdefizit entwickeln.

Symptome der AVWS

  • Kurze Konzentrationsspanne beim Hören.
  • Informationen, die nur gesprochen vorliegen, werden schwer erinnert (z.B. sich eine Einkaufsliste merken, ohne sie aufzuschreiben).
  • Ähnlich klingende Wörter können nicht auseinander gehalten werden.
  • In lauten Umgebungen werden andere Menschen (Erzieher, Lehrer) nicht verstanden, weil Gesprochenes nicht aus der Gesamtheit der Geräuschkulisse herausgefiltert werden kann. Die Reaktionen sind Rückzug und Gereiztheit.
  • Eingeschränktes Richtungshören (Hören, woher ein Geräusch kommt).
  • Verlangsamte Reaktion auf Gehörtes und Schwierigkeiten, es zu verstehen.
  • Signalwörter können nicht herausgehört werden.
  • Einzelne Laute können nur schwer zu einem gesprochenen Wort zusammengesetzt werden.
  • Schwierigkeiten, aus einzelnen Wörtern sinnvolle Sätze zu bilden.

AVWS sollten behandelt werden, wenn…

… Sie bei Ihrem Kind eines oder mehrere der genannten Symptome beobachten. Der Kinderarzt kann dann zum Facharzt überweisen, am besten zum Pädaudiologen. Denn dieser kann zusätzlich zur Hörfähigkeit auch die auditive Verarbeitung im Gehirn untersuchen.

Ein rechtzeitiges Erkennen von auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen ist sehr wichtig, damit ein Kind richtig Lesen und Schreiben lernen kann. Dafür muss es im Vorfeld in der Lage sein, die Laut- und Silbenstruktur eines Wortes (welche Laute in einem Wort vorkommen) heraushören zu können. Nur die Bedeutung zu kennen, reicht nicht aus.

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Behandlung der Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen

Zunächst untersucht ein Phoniater oder Pädaudiologe die Hörverarbeitung. Danach folgt die logopädische Therapie, während der die Konzentration und das Gedächtnis geschult werden und die Unterscheidung von Lauten geübt wird. So können die Verarbeitung und die Wahrnehmung von gehörter Sprache verbessert werden.

Zum Einsatz kommen verschiedene Trainingskonzepte, Computerprogramme/-spiele und Spiele, die regelmäßig zu Hause gespielt werden (z.B. Reimrätsel, Laute in vorgesprochenen Wörtern ergänzen, „Ich packe meinen Koffer und nehme mit …“ u.v.m.).

Die Logopädie unterscheidet drei Therapieverfahren, die einzeln oder kombiniert eingesetzt werden:

  • Teilfunktionsorientierte Verfahren: Förderung der auditiven Teilbereiche, die Defizite aufweisen, z.B. Heraushören von Sprache aus Störgeräuschen (auditive Selektion), Unterscheidung klangähnlicher Laute (auditive Differenzierung). In Einzel- oder in Gruppentherapie.
  • Psychomotorische Verfahren: Rhythmisch-melodische Elemente werden mit Bewegung kombiniert, um so die Wahrnehmung und Verarbeitung zu erleichtern.
  • Kompensatorische Verfahren: Gestörte Funktionen sollen durch das Erlernen von Alternativstrategien ausgeglichen werden (z.B. auf Mimik und Gestik achten, sich angucken beim Sprechen) oder die akustische Signalqualität soll verbessert werden (z.B. Minimierung der Schallreflexion in Klassenräumen, Tragen eines spezifischen Hörapparates).

Die logopädische Behandlung zeigt bei Kindern mit AVWS deutliche Verbesserungen in allen sprachlichen Bereichen. Jedoch ist damit zu rechnen, dass in anspruchsvollen Hörsituation auch im Erwachsenenalter immer mal wieder Symptome der AVWS auftauchen können.

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